Interpretation des Märchens
Märcheninhalt

Im Wald des Königs ereignen sich unerklärliche Dinge – die Jäger kehren nicht zurück und der König verbietet zum Schutz seiner Leute, den Wald zu betreten.
Ein fremder Jäger entdeckt den wilden Mann, der alles Lebendige zu sich in den Sumpf zieht. Eisenhans wird ausgegraben, ins Schloß gebracht und in einem Käfig gefangengehalten. Der Sohn des Königs befreit ihn und wird in den Wald mitgenommen. Dort muß er den Brunnen vor Verunreinigung schützen. Dies gelingt ihm nicht und Eisenhans schickt ihn mit seinen goldenen Haaren in die Welt zurück, um sich dort zu bewähren. Eisenhans verspricht ihm seine Unterstützung in Notlagen.
Am Ende wird der Prinz mit Hilfe von Eisenhans der Gemahl der Prinzessin. Eisenhans kommt als erlöster König zur Hochzeit und stellt dem Prinzen alle seine Schätze zur Verfügung.

Thema des Märchens

Das Märchen ist eine Methapher für den menschlichen Umgang mit der geistlichen/spirituellen Dimension hinter der sichtbaren Wirklichkeit. Eisenhans, der Wegweiser zu den Schätzen des mystischen Bereiches ist verwünscht und wirkt gegenteilig – er widersetzt sich dem Verlangen der Jäger. Die weltliche Autorität/ König ist dadurch verunsichert. Die geistliche/spirituelle Wirklichkeit wird mit einem Tabu belegt, einem Verbot, das bis auf weiteres vor der unerklärlichen Gefahr schützen soll.

Eine Ursachenforschung ist erforderlich.
Eisenhans, das vermeintliche Hindernis wird gefunden und gefangen genommen. Das Tabu wird auf das Hindernis/ Eisenhans übertragen und die Verbindung zwischen Welt und spiritueller Dimension ist scheinbar wieder in Ordnung.
Der Brunnen, die mystische Quelle ist ohne den Wegweiser Eisenhans nicht zu finden.
Der Sohn des Königs, Figur für Veränderung und Entwicklung läßt sich auf einen neuen Weg ein und lernt das mystische Wirklichkeit des Eisenhans kennen.
Durch die Selbstspiegelung im Brunnen bekommt er goldene Haare und muß mit diesem „Kennzeichen/ Begabung/ Auftrag/ Berufung“ in die Welt des Vaters zurück. Er darf sich nur in der Not an Eisenhans wenden. Die Kraft aus dem spirituellem Bereich dient dem Leben und wird über Eisenhans gegeben. Damit verbindet der Prinz das Reich seines Vaters „Eisenhans“ mit dem seiner weltlichen Väter.
Der Prinz ist einen anderen Weg zu den Schätzen des mystischen Bereichs gegangen und dadurch Eisenhans erlöst.

Das Märchen erinnert in vielen Sequenzen an die christliche Lehre.

Die spirituelle Dimension ist in zwei Figuren und dem Element des goldnen Wassers eingefangen, ähnlich der Dreifaltigkeit: Gottvater – Eisenhans
Jesus – Prinz
Heiliger Geist – Wasser des Brunnens

Das Märchengeschehen

Rollenbeschreibung

Der König,
die kulturell gültige geistliche/geistige Autorität und Institution. Er regiert sein Reich: er schickt seine Diener aus, er ordnet an, verbietet, beschützt, nimmt gefangen, gewährt, droht und bestraft. Er bestimmt den menschlichen Umgang mit dem Waldbereich/ spirituellem Bereich.

Die Königin
ist der Spiegel des Königs. Er gibt die Verantwortung für den gefangenen Eisenhans im Symbol des Schlüssels an sie ab.

Eisenhans,
der Hüter des Waldes und Weg zum Brunnen ist verwünscht und schadet den Menschen. Ein neuer Weg muß gesucht werden, um zu den Schätzen des mystischen Bereichs zu kommen.

Der Prinz,
durchbricht die alte Vorgehensweise, läßt sich mit Eisenhans ein und bekommt Zugang zu seinem Reich. Er kehrt in die Welt zurück und bekommt in Notlagen Unterstützung von Eisenhans. Der Prinz findet einen anderen Weg zu den Schätzen des Waldbereichs.

Die Prinzessin
ist der gegengeschlechtliche/menschliche Spiegel für die geistliche Entwicklung des Prinzen. Eine Spiegelverstärkung durch den Vater der Prinzessin ist notwendig.

Zusammenfassung des Spiegelprozesses

Der Prinz handelt gegen ein gefürchtetes Verbot des Vaters – er läßt sich mit dem gefangenen Eisenhans ein und geht zusammen mit ihm einen neuen Weg zu den Schätzen des Waldes. Eisenhans nimmt ihn mit in sein Reich, um ihnnach der Mißachtung der Gebote vor der Welt zu schützen. Er sorgt für ihn und macht in mit den Aufgaben der mystischen Wirklichkeit vertraut. Der Prinz verunehrt den Brunnen durch seine „Menschlichsein“ und Eisenhans schickt ihn in die Welt zurück. Der Prinz mit goldenen Haaren ist ein Mensch mit spirituellen Begabung. Er verbirgt seine goldenen Haare und seine Erfahrung vor der Welt.
Er führt ein hartes, karges Leben und zieht sich immer mehr von den Menschen zurück. In seiner menschlichen Ausgegrenztheit/ Einsamkeit entsteht durch die Sonnenspiegelung der gegengeschlechtliche menschliche Entwicklungsspiegel, die Prinzessin. Die Sonne, das Symbol des Lichtes, der Erleuchtung, der Göttlichkeit ist ein Hinweis auf eine höhere Macht, die sich im Zufall verbirgt.
Der Prinz wird von der Prinzessin zweimal aufgefordert, seinen Hut abzunehmen. Er verweigert sich und schenkt die Golddukaten den Kindern des Gärtners. Der Prinz kann den Reichtum seiner Erfahrung nicht schätzen – er will davon nichts wissen. Er distanziert sich von Eisenhans.
Diese Weigerung macht eine Situation mit intensiverem Aufforderungscharakter nötig. Das Reich des Königs, Vater der Prinzessin, wird angegriffen – die Entwicklung des Prinzen ist im Spiegelbild betrachtet in Gefahr. Der Prinz ist in Lebensnot und in dieser ruft er Eisenhans um Hilfe an. Er bekommt von
„ Eisenhans“ ein Heer und besiegt die Bedrohung. Er läßt nicht zu, daß das Reich seiner Prinzessin/ seine „Berufung“ zerstört wird und setzt sich damit spiegelbildlich für diese ein, indem er seine spirituelle Kraft in der Verbindung mit Eisenhans nutzt. Der Prinz kämpft für die Rettung seiner „ neuen Welt“ mit Eisenhanskräften/ spirituellen Kräften.
Der Prinz siegt und macht damit eine weitere positive Erfahrung mit spirituellen Kräften. Er gibt Eisenhans die Kräfte/ Pferd und Heer zurück und kehrt mit seinem hinkenden Pferd ins Schloß zurück. Er verbirgt seine Begabung/ Berufung und will nicht in der Verbindung zu Eisenhans erkannt werden. Der Prinz weiß von der Wirkung der spirituellen Kräfte, er ist persönlich überzeugt, verbirgt aber trotzdem nach außen diese Erfahrung/ Erkenntnis.
Das Spiegelbild fordert den Prinzen auf, sich zu seiner Begabung zu bekennen.
Die Prinzessin will den Held sehen und der König veranstaltet deswegen ein Fest, bei dem sich die Ritter beweisen müssen. Dies ist eine eindeutige Aufforderung, sich zur Eisenhansverbindung/ zu dieser Erfahrung mit spirituellen Kräften zu bekennen.
Der Prinz bittet wiederum Eisenhans um Hilfe, diese Aufgabe zu meistern. Er will damit im Spiegel der Prinzessin seine Eisenhanszugehörigkeit offenlegen.
Die Prinzessin gibt, wie so oft in Märchen, drei Chancen vor und jedesmal fängt der Prinz den goldenen Apfel. Seine Verbindung zu Eisenhans ist zuverlässig – die Harmonie zwischen Person und Begabung ist da.

Der Prinz scheut vor dem letzten Schritt zurück – er will nicht erkannt werden.
Diese endgültige Entscheidung bedarf wiederum eines Dreierschrittes:
Die Verbindung zu Eisenhans war durch weltliche Autorität verboten und mit Strafe belegt – sich zu bekennen, ist, aus der Vergangenheit betrachtet, sehr gefährlich. Eine zusätzliche Verstärkung der Prinzessin in der Autorität des Königs ist notwendig. Der König ist eine neue gültige Autorität und unterstützt das Ziel der Prinzessin und somit die Entwicklung des Prinzen. Die Welt hat sich verändert. Der König verkörpert diese neue geistige Basis und hat die Macht, Begabungen und Erkenntnisse einzufordern. Er läßt den Prinzen verfolgen und zwingt ihn, sich zu zeigen. Seine goldenen Haare werden für einen Moment sichtbar und er kann beschrieben werden.
Die Prinzessin als direkter Spiegel erkennt und benennt den Gärtnerjungen mit den goldenen Haaren und er wird vorgeladen. Der Spiegel kündigt den nächsten Schritt an.
In dieser Situation muß sich der Prinz entscheiden: bekennen oder verleugnen.
Der Prinz bekennt sich zu Eisenhans im übertragenen Bild eines Vaters – einer geistigen Zugehörigkeit. Die Spiegelung wird in der Hochzeit abgeschlossen. Der Prinz wird damit ein offizieller „ Eisenhanssohn“ nach außen erkennbar und von außen anerkannt.
Die Trennung von Wald- und Schloßbereich wird dadurch aufgehoben. Eisenhans wird erlöst. Er kommt aus seinem Wald/ aus dem spitituellem Bereich in den Schloßbereich zur Hochzeitstafel als geheimnisvollen König und stellt dem Prinzen alle seine Schätze seines Reiches zur Verfügung.

Die Betrachtung des Märchenverlaufs

Waldbereich und Schloßbereich

Im Wald befindet sich der Brunnen mit dem goldenen Wasser. Eisenhans ist die Figur, die den Bereich hütet und den Zugang ermöglicht oder versperrt.
Eisenhans ist ein Medium, ein Mittler zwischen Waldbereich und Schloßbereich, zwischen Geist und Materie, zwischen zwei Wirklichkeiten, der unsichtbaren und sichtbaren.
Der König in seinem Schloßbereich handelt von seinem gültigen weltlichen Standpunkt aus und versucht Nahrung aus dem Wald zu bekommen. Er schickt seine Jäger aus, um Nahrung aus dieser unsichtbaren mystischen Wirklichkeit zu holen. Die Jäger verfolgen eine Fährte und haben ein klares Ziel – sie wollen aus dem Wald mit einem nützlichen/ nährenden Ergebnis zurückkommen. Eine von der Welt ausgehende spirituelle Vorstellung und Erwartung wird hier in dieser Sequenz beschrieben. Eisenhans stört diese handlungs- und zielorientierte Vorgehensweise bereits im Ursprung. Er zieht die Jäger in das Sumpfloch – eine Methapher für die Unzugänglichkeit und Lebensgefahr. Menschen meiden den Sumpf. Das Vorgehen des Königs, die weltliche Suche nach spirituellen Quellen ist eine Gefahr für das Leben.
In dieser Ausgangssituation, in der Menschen ausgehend von ihrer Wirklichkeit nach mystischen Schätzen streben, ist Eisenhans ein gefährlicher Mann, der dem Leben Schaden zufügt. Eisenhans ist verändert/ verwünscht/verwandelt, in dem er die Menschen an ihrem Tun hindert. Der König/ die Welt kennt keine andere Vorgehensweise als diese und ist durch diese Resonanz stark verunsichert. In seiner Verantwortlichkeit verbietet der König seinen Jägern, den Waldbereich zu betreten. Die Trennung von Wald- und Schloßbereich beschreibt die Trennung zwischen wahrnehmbarer Wirklichkeit/Realität und nicht sichtbarer Wirklichkeit/ Mhystik.
Der Bruch der beiden Wirklichkeiten ist nötig, um Schaden abzuwenden – eine Veränderung ist nicht möglich. Stillstand!
Ein fremder Jäger, ein nicht zum Königreich zugehöriger Mensch, ist frei von dieser Vorerfahrung und bietet sich an, nach den Ursachen zu suchen. Der König warnt ihn, läßt aber den Einblick in die bisherige Vorgehensweise zu.
Der Jäger läßt seinen Hund, wie die Jäger vor ihm, eine Fährte verfolgen und er selbst bleibt zurück und beobachtet das, was geschieht. Er rekonstruiert die Vorgehensweise der Jäger und entdeckt die Reaktion aus dem Sumpf.
Drei Männer schöpfen den Sumpf aus – der Jäger bezieht die Zuständigen in die Ursachenforschung mit ein. Gemeinsam suchen sie nach dem Grund und entdecken das Hindernis. Der Beschreibung nach ist Eisenhans rostig und hat überlange Jahre. Das Hindernis existiert demnach schon sehr lange.
Der König/Welt bemächtigt sich nun dieses Hindernisses und nimmt es aus dem Wald/ mystischen Bereich heraus. Der König verhängt nun das Verbot über Eisenhans, das erkannte Hindernis und der Waldbereich/spiritueller Bereich wird wieder zugänglich.
Der König gibt den Schlüssel zum Käfig ab an die Königin – er gibt die Macht über den gefangenen Eisenhans ab an sein Spiegelbild und macht damit die Handlung unwirksam. Spiegelbilder können nicht handeln. Eisenhans wird nicht gefangen bleiben – seine Befreiung steht von Anfang an fest. Weltliches Handeln in Beziehung zu mystischen Gegebenheiten wird in dieser Sequenz deutlich außer Kraft gesetzt. Ohne den Schlüssel hat der König keine wirkliche Macht über Eisenhans – die Gefangennahme ist eine Täuschung.
Der Sohn des Königs, sein Nachfolger und ein Teil von ihm, spielt bereits im Umkreis des Käfigs und verliert seinen goldenen Ball an Eisenhans. Der goldene Ball ist das Symbol des königlichen Kindes. Der Prinz verliert seinen weltlichen königlichen Status an Eisenhans d.h. er verliert seine weltliche Identität/ Menschlichkeit durch die Anziehungskraft/ Faszination an Eisenhans. Der Prinz steht damit zwischen dem König/ Welt und Eisenhans/ Mystik. Er muß sich entscheiden. Der Prinz steht zwischen dem Verbot des Vaters und dem Verlangen des Eisenhans.
Wie in Märchen üblich, wird die Entscheidung in 3 Schritten getroffen. Zweimal widersteht der Prinz der Anziehungskraft des Eisenhans. Als der König das Schloß verläßt und die weltliche Autorität ihren Einfluß verliert, öffnet der Prinz den Käfig und wendet sich Eisenhans zu. Er bekommt seinen Ball/ menschliche Identität zurück und Eisenhans eilt zurück in den Wald. Ohne Eisenhans im Schloßhof zurückzubleiben, hat schlimme Konsequenzen – die Lebensstrafe! Für Menschen gibt es als Bestrafung eigentlich nur die „ Todesstrafe“. In diesem Fall hat der weltliche König die „ Lebensstrafe“ verhängt. Ohne Eisenhans wird das Leben für den Prinzen zur Qual. Der Prinz hat Angst vor den Schlägen des Vaters, vor den Konsequenzen, die ihm die Welt aufzwingt. Der Prinz fürchtet ein Leben ohne Spiritualität – die Welt ohne Eisenhans ist sehr bedrohlich.
Eisenhans kehrt um, wendet sich dem Prinzen zu, indem er ihn mit sich in den Wald nimmt und dadurch vor dem gefürchteten Leben bewahrt.
Der Prinz ist von „ Vater und Mutter“ getrennt, die weltlichen Bindungen haben keinen Einfluß mehr. Die weltliche Bindung ist aufgelöst. Das Begreifen mystischen Wirklichkeit wird mit dieser Methapher eingeleitet. Der Prinz ist bei Eisenhans und wird von diesem mit den mystischen/spirituellen Gegebenheiten vertraut gemacht.
Der Prinz wird „ eingeweiht“ – er bekommt die Aufgabe, den Goldbrunnen vor Verunehrung zu bewahren. Im Bild des kristallklaren Wassers wird die Beschaffenheit der „ mystischen Wirklichkeit“ wie Klarheit, Licht, Reinheit beschrieben. In den Symbolen der goldenen Schlange und des goldenen Fisches werden die geistigen Schätze in dieser Wirklichkeit wie Weisheit, Erkenntnis und Heil verschlüsselt.
Der Prinz lernt durch diese Aufgabe das andere Sein, das andere Wesen des Wassers kennen. Er lebt in der Unterscheidung der beiden Wirklichkeiten. Das Wassers der sichtbaren Wirklichkeit/ Materie hat eine andere Qualität als das Wasser der „ mystischen Wirklichkeit“. Er geht mit dem Wasser des Geistes um wie mit dem Wasser der Welt. Doch das Gold an seinem Finger ist nicht mehr abzuwischen. Eisenhans weiß von diesen menschlichen Schwierigkeiten, dem ersten Irrtum und verzeiht dem Prinzen.
Der Prinz bekommt eine 2. Chance.
Aus der ersten Erfahrung hat der Prinz gelernt, hat seinen weltlichen Schmerz zurückgehalten. Er hat versucht, beide Wirklichkeiten zu trennen. Der Schmerz stammt aus der Situation, als der Prinz die Türe des Käfigs öffnete. Der Verlust und der Verzicht auf „ weltliches Sein“ zu gunsten einer spirituellen Begegnung fällt sehr schwer.
Der Prinz bemüht sich, aber unglücklicherweise fällt ein Haar in den Brunnen. Es ist nicht möglich, sein Menschsein zurückzuhalten. Eisenhans hat auch für dieses Mißgeschick Verständnis, warnt den Prinzen aber vor der dritten Verunreinigung, die Konsequenzen hat.

Die Spiegelung im Wasser des Brunnens

Hier wird der Wasserspiegel zum magischen Spiegel der Person. Der Prinz nähert sich seinem Spiegelbild, um sich selbst in die Augen zu sehen. Er sucht sich selbst im Wasser des Brunnen und im Bild seiner fallenden Haare vermischen sich Menschlichkeit und Geistlichkeit. Die Faszination, sich selbst als Mensch im Wasser des Brunnens zu erkennen, ist stärker als die Verpflichtung gegenüber Eisenhans. Der Prinz ist wieder menschlich geworden, unterscheidet sich aber nun von seinen Mitmenschen – Eisenhans hat ihn vor dieser Konsequenz gewarnt. Das Wasser des Brunnen ist durch die menschliche Berührung verunehrt/bemenschlicht worden und der Prinz muß in die Welt zurück. Er wird von Eisenhans in die Grenzen seines Menschseins gewiesen, um sich in dieser Wirklichkeit zu bewähren.
Hier setzt Eisenhans eindeutige Grenzen zwischen den beiden Wirklichkeiten. Er weist dem Prinzen den angemessenen Platz zu. Der Prinz unterscheidet sich jedoch durch seine Brunnenberührung von seinen Mitmenschen und wird es besonders schwer haben. Eisenhans erlaubt dem Prinzen, in der Not nach ihm zu rufen.

Der Prinz als Mensch

Der Prinz ist lebensuntüchtig – er hat nichts gelernt – er ist auf die Hilfe der anderen angewiesen, um leben zu können. Er verrichtet die einfachste Arbeit – er fängt an zu lernen ein Mensch zu sein und für sich zu sorgen.
Er verbirgt seine goldenen Haare, den Unterschied zu anderen Menschen, aus Angst und Vorsicht, in dieser Wirklichkeit zu scheitern.
Er steht zwischen zwei Wirklichkeiten, ist aber bereit, sich der sichtbaren Wirklichkeit anzupassen.
Er kann sich den Vorschriften des Königs, der Welt nicht ganz anpassen. Die goldenen Haare, seine Erfahrung im Eisenhansreich, sind ein Hindernis. Er nimmt sein Tuch nicht ab, als er Speisen zur königlichen Tafel tragen muß. Er verschweigt seine „ Besonderheit“ und erfindet eine negative Unterscheidung/ grindiger Kopf. Er wird von der Welt ausgeschlossen und sein Leben wird noch schwieriger. Er wird der harten Wirklichkeit im Bild von Wind und Wetter ausgesetzt und er arbeitet außerhalb des Schlosses.
In dieser Ausgegrenztheit kann er sein Hütchen abnehmen und ist zum erstenmal für einen Augenblick ein Mensch mit goldenen Haaren.

Der Prinz als Mensch mit der Berührung des Geistes
Das Spiegelangebot / Entwicklungsweg

Zu diesem Zeitpunkt wird durch den Zufall der Sonneneinstrahlung/ kosmische Kraft die Prinzessin zu seinem Spiegel. Sie sieht den Gärtnerjungen mit den goldenen Haaren und weiß um seine Identität.
Die Aufgabe des Spiegels ist, den Prinzen zu ermutigen, seine Identität zu akzeptieren und zu zeigen.
Diese Sonnenmethapher weist auf die Unmöglichkeit hin, diese Brunnenberührung geheimzuhalten. Sonne ist Licht – durch sie wird auch die Wirklichkeit der Welt sichtbar. Sonne ist als Symbol auch der Hinweis auf Göttlichkeit.

Die persönlichen Entwicklungsschritte

Die Prinzessin zieht dem Prinzen den Hut vom Kopf, beschenkt ihn und spiegelt ihm damit seinen Reichtum. Diese Belohnung ignoriert er. Er ist überrascht. Die Goldtaler gibt er den Kindern des Gärtners zum Spielen. Er kann seinen spirituellen Reichtum nicht einschätzen.
Dreimal verweigert er die Spiegelaufforderung: er will die Haare nicht zeigen und die Golddukaten der Prinzessin nicht annehmen.
Er weist damit die Prinzessin als Spiegel und damit seine Entwicklung zurück. Er will der spirituellen Erfahrung und Prägung aus dem Wege gehen.
Die drei Chancen hat der Prinz nicht genutzt, sondern seine Verweigerung eindeutig belegt.

Wie immer im Märchen, wird der Aufforderungscharakter in der Situation entsprechend stärker, um eine Veränderung in die Wege zu leiten.

Das Entwicklungsziel ist in Gefahr, verlorenzugehen.
Das Reich des Königs wird von einem starken Feind angegriffen.
Das Reich der Prinzessin ist in Gefahr, zerstört zu werden. Die Prinzessin ist der Spiegel für Menschlichkeit und spirituelle Begabung.
Der Prinz ist in Lebensnot. Von den Menschen bekommt er keine Unterstützung, die Gefahr abzuwenden. Sie lassen ihn allein mit einem hinkenden Pferd. Mit dieser letzten begrenzten menschlichen Kraft ruft der Prinz nach der Hilfe des Eisenhans.

Die Hilfe des Eisenhans
In dieser Notlage lernt der Prinz die Kräfte der unsichtbaren Wirklichkeit aus dem Reich des Eisenhans kennen.
Er bekommt von Eisenhans aus dem spirituellem Bereich ein ganzes Heer, eine enorme Kraft, zur Verfügung gestellt, mit dem er sich vor dem persönlichen Zugrundegehen retten kann. Er gibt nach dieser Rettung die Kraft zurück und ist wieder der einfache Gärtnerjunge mit dem begrenzten menschlichen Vermögen.

Der König richtet ein Fest aus, um diesen Helden der Rettung kennenzulernen.
Der Prinz wird nun von der weltlichen Autorität aufgefordert, sich zu zeigen.
Sein Spiegelbild, die Prinzessin bietet ihm die Möglichkeit. Sie wirft den goldenen Apfel, das Symbol für die Erkenntnis aus dem Paradies, die mystische und verlorengegangene Wirklichkeit.

Wiederum sind drei Versuche vorgegeben.

Eisenhans stattet den Prinzen wieder mit der nötigen Kraft aus.
Der Prinz bekommt jeweils die passende Rüstung zu den drei Pferden Fuchs, Schimmel und Rappe. Die Stimmigkeit von Kraft und Person kommt zum Ausdruck.
Der Prinz fängt jedesmal den Apfel, gibt sich aber nicht zu erkennen.
Beim drittenmal, bei der letzten Gelegenheit, verfolgen ihn die Reiter des Königs. Die weltliche Autorität erhebt Anspruch auf seine Person, auch auf die Gefahr hin, ihn dabei zu verletzen.
„Das Pferd des Eisenhans sprang so gewaltig, daß der Helm ihm vom Kopf fiel....“
Das Pferd des Prinzen scheute durch diese Verletzung und der Prinz ist in Gefahr, abgeworfen zu werden – die Eisenhanskraft bringt den Prinzen in Bewegung und in Bedrängnis – er verliert den „ Schutzhelm/Tarnkappe“ und sein Kennzeichen/ goldenen Haare werden gesehen.

Die Prinzessin erkennt in der Beschreibung den Gärtnerjungen und er wird vorgeladen.
Er läßt sich jetzt das Hütchen abnehmen und folgt der Aufforderungen des Spiegels.
Er zeigt die goldenen Äpfel, aber auch seine körperliche Wunde als Beweise seiner Identität.
In der Vermählung, Verbindung mit seinem Spiegelbild, wird dieser Prozeß abgeschlossen.
Eisenhans erscheint als erlöster nichtweltlicher König bei der Hochzeitstafel und bereichert ihn mit all seinen Schätzen.
Der Prinz wird am Ende der Eisenhanssohn, der über die Schätze der nichtsichtbaren Wirklichkeit/ Mystik verfügen kann.

Die Verbindung von Wald- und Schloßbereich wird in dieser Sequenz deutlich gemacht. Der Prinz hat die Trennung der beiden Wirklichkeiten durch seine Erkenntnis und sein Bekenntnis aufgehoben und dadurch Eisenhans erlöst. Eisenhans gibt den Menschen seine Schätze - auf diesem Weg funktioniert die Verbindung beider Bereiche. Die Ausgangssituation beschrieb den umgekehrten Weg, auf dem die Jäger sich die Schätze aus dem Wald holen wollten.

Interpretation des Märchengeschehens
Die gute Mutter stirbt:

„Wassilischka, höre auf meine letzten Worte! Ich sterbe und hinterlasse dir mit meinem mütterlichen Segen diese Puppe, behalte sie stets bei dir und zeige sie niemand; wenn dir ein Unglück zustößt, gib ihr zu essen und frage sie um Rat. Wenn sie gegessen hat, wird sie dir sagen, wie deinem Kummer abzuhelfen ist.“
In diesem Vermächtnis ist der Hinweis auf die persönliche Lebendigkeit und eine Aufforderung, auch in unglücklichen Zeiten am Leben nicht zu verzweifeln. Lebendigkeit ist die Möglichkeit, schwere Zeiten durchzustehen.
Segen bedeutet, „ich heiße dich gut - du bist mir willkommen“.
Segen bedeutet Akzeptanz, Wohlwollen, Ermutigung und Begleitung. Die „gute Mutter“ hat in diesem Märchen ein „wunderschönes Mädchen“ nach sich, das die Schönheit der Lebendigkeit im schöpferischem Werk/ Wirken zum Ausdruck bringen kann.
Zuerst aber bringen böse Umstände/ Stiefmutter das Leben des Mädchens in Gefahr und fordern Lebendigkeit heraus.
Das Vermächtnis der Mutter ist ein wohlzubehütendes Geheimnis, auf das das Mädchen in dieser Gefahr zurückgreifen kann. Diese Kraft, das Püppchen ruht in ihm und kann belebt werden, wenn sie nötig ist. Das Püppchen ist nicht aus sich selbst aktiv und hilfreich, sondern muß vorher von Wassilissa genährt werden. Es ist dem Mädchen vorbehalten, Zugang zu Lebendigkeit zu suchen und sie zu nähren. Das Mädchen gibt dem Püppchen die besten Bissen – es investiert große persönliche Energien in diese Suche. Das Märchenbild beschreibt die „Noch kindliche Hingabe“ an diese Quelle.
Das Wort Geheimnis bedeutet, daß kein anderer Mensch bei der Suche helfen kann. Niemand kann die Frage nach Lebendigkeit für einen anderen beantworten.

Das Unglück kommt

Der Vater täuscht sich in der Wahl seiner 2. Frau und Ersatzmutter für Wassilissa.
Die Stiefmutter und ihre beiden Töchter machen Wassilissa das Leben schwer.
Ihr Leben ist hart und freudlos geworden und sie hätte es ohne die Hilfe des Püppchens nicht ertragen. Diese Kraft ermöglicht widrige Umstände zu ertragen und trotzdem zu reifen. Wassilissa wurde trotz aller Widrigkeiten immer schöner, so daß junge Burschen um sie warben. Wassilissa ist stark, kräftig, ungestüm und lebenshungrig. Junge Burschen bieten sich als Spiegelbilder an. Wassilissa sprüht wie diese „jungen Burschen“ vor Kraft und Lebenslust - sie ist wie die Burschen, lebenslustig und froh, sehr vital, jugendlich lebendig. Die stiefmütterlichen Bedingungen können ihre Lebendigkeit nicht verhindern. Sie hat an Ausdruck und Schönheit gewonnen, wogegen die Stiefschwestern immer häßlicher werden und keine Bewerber finden und in ihrer Lebendigkeit verkümmern.

Das Unglück steigert sich

Die Mißachtung ihrer Töchter läßt sich die Stiefmutter nicht gefallen und sie verschärft ihre Vorgehensweise. Wassilissa muß in ihrer Lebendigkeit gehindert werden. Ein äußerer Umstand wird konstruiert, der Wassilissa zur Hexe Baba Jaga treiben soll.
Die Stiefmutter plant die Hexe Baba Jaga für die Durchsetzung ihrer Interessen ein. Sie zieht in ein Haus nahe an den Wald, in dem die Hexe wohnt. Sie schickt das Mädchen immer wieder in die Nähe der Hexe, um es an den Tod loszuwerden. Die Stiefmutter hat die Absicht zu töten oder dem Mädchen auf andere Weise die Lebenslust zu nehmen. Die Puppe zeigt Wassilissa, wie sie das Haus der Baba Jaga vermeiden kann. Sie kommt trotz aller Versuche der Stiefmutter nicht mit dem „Totenbereich der Hexe“ in Berührung. Sie findet immer einen Ausweg aus äußerst kritischen und unglücklichen Lebenssituationen. Sie verliert ihre Liebe zum Leben nicht. Das Püppchen wirkt sehr zuverlässig. Die Verbundenheit zum Leben, die Lebensfreude und Lebenslust sind stärker als die lebensfeindlichen Umstände. Wassilissa ist lebendig.

Die Stiefmutter trachtet nach Wassilissas Leben Konfrontation mit dem Tod

Die Stiefmutter arrangiert eine neue Situation, bei der Wassilissa keine Ausweichmöglichkeit mehr finden kann. Sie wird gezwungen, zu Baba Jaga zu gehen, um Licht zu holen - sie wird aus dem Haus gestoßen. Es wird ihr Gewalt angetan. Wassilissa wird in eine Lebensnot getrieben und ist auf dem direkten Weg zu Baba Jaga. Die Lebensumstände sind äußerst bedrohlich. Die Lebenszuversicht weicht einer Lebensangst. Lebendigkeit ist in Gefahr. In dieser schweren Zeit wird die Verbindung zum Püppchen intensiviert. Lebendigkeit gewinnt zunehmend an Bedeutung. Der Zugang zu dieser Quelle wird notwendig und immer vertrauter.
Das Püppchen macht Wassilissa Mut, den Weg zur Hexe zu gehen und gibt ihr Sicherheit. Lebendigkeit ist ein Gefühl der Sicherheit vor dem Tod.
Auf dem Weg zur Baba Jaga begegnet ihr der weiße Reiter, der den Tag ankündigt, danach der rote Reiter, der die Sonne bringt und zuletzt der schwarze Reiter.
„Der schwarze Reiter sprengte zum Tor und verschwand, als hätte ihn die Erde verschluckt - da wurde es Nacht.“ Diese Dunkelheit dauert nicht lange, denn die Hexe kommt in ihr Reich zurück und beleuchtet es auf ihre Art.

Wassilissa geht auf Baba Jaga zu und trägt ihren Wunsch nach Licht vor.
Sie geht lebendig in diese Krise/Auseinandersetzung mit dem Ziel, neue Erkenntnisse mit ins Leben zurücknehmen zu können.

Die Hexe nimmt das Mädchen mit in ihren Bereich und läßt sich bedienen. Wassilissa läßt sich auf die Bedingungen der Hexe ein. Sie hat nach wie vor Zugang zu ihrem Püppchen und greift bei Bedarf auf dessen Hilfe zurück. Wassilissa ist überaus lebendig. Das Mädchen kann die unlösbaren Aufgaben der Hexe erfüllen. Die Lebendigkeit des Mädchens wächst in dieser Konfrontation. Die Hexe kann nichts zum Aussetzen finden - die Arbeiten sind immer gemacht. Die Prüfungen der Hexe verstärken die Verbindung zwischen Wassilissa und dem Püppchen. Das Mädchen wird durch diese Erfahrung ihrer Lebendigkeit sicherer.
Wassilissa denkt über Leben und Sterben nach und sucht nach Erklärungen. Sie interessiert sich für das, was sie auf dem Weg zur Hexe gesehen hat. Wassilissa frägt nach der Bedeutung der drei Reiter. Baba Jaga gibt Antwort auf die Fragen außerhalb ihres Reiches, die das Leben betreffen. Die drei Reiter sind Symbole für den Tag- Nachtrhythmus auf der Erde. Die täglich ablaufende Lebenszeit bringt jeden Menschen vor das Tor der Baba Jaga - die Reiter sind ihre treuen und zuverlässigen Diener. Die Lebenszeit des Menschen ist das einzige Kriterium für das Ankommen bei ihr.

Wassilissa bedenkt die Vorwarnung der Hexe: „Zuviel Wissen macht alt.“

„Wassilissa dachte an die drei Paar Hände und schwieg.
Wissen aus dem Reich der Hexe gibt es nicht für Lebendige. Frägt das Mädchen unvorsichtig und dringt in die Funktion der Hexe ein, so wird es nicht mehr entkommen. Wissen aus dem Hof der Hexe bedeutet Tod.
Wassilissa ist klug und entscheidet sich, keine weiteren Fragen zu stellen, obwohl sich diese aufdrängen. Die Neugier nach dem Tod läßt sich nicht mit dem Wunsch nach Leben vereinbaren. Es gibt entweder - oder, das eine oder das andere, aber nicht beides gleichzeitig, alles zu seiner Zeit. Wie im Leben der kleine Rhythmus von Tag und Nacht, so ist auch der übergeordnete Rhythmus von Leben und Tod.

Die Sonne ist das Medium von Tag und Nacht - sie macht Tag und Nacht sichtbar.

Baba Jaga ist ein Medium zwischen Leben und Tod – sie macht Leben oder Tod sichtbar.

Baba Jaga bringt Licht ins Dunkel - sie beleuchtet den Tod und verdunkelt das Leben - sie erklärt den Tod, sie ist aber nicht der Tod, genauso wenig wie die Sonne der Tag ist.
Die Erde dreht sich um die Sonne. Der Mensch dreht sich um Baba Jaga.

Wassilissa hat Baba Jaga gut zugehört - sie hat ihre Warnung „zuviel Wissen macht alt“ verstanden. Zuviel Wissen vor seiner Zeit dreht die persönliche Lebensuhr weiter und macht vorzeitig alt - Baba Jaga wird dann diesen Todneugierigen aufnehmen können. Jeder kann seine persönliche Lebensuhr durch Neugier oder Unvorsichtigkeit weiterdrehen. Die Hexe greift in diese persönliche Entscheidung nicht ein, sie weist lediglich auf die Konsequenzen hin.
Baba Jaga ist ein Gesetz – sie hat keinen Spielraum. Sie ist eine festgelegte Funktion. Ihre furchterregende Gestalt spiegelt lediglich die Angst des Menschen vor diesem Schritt aus dem Leben.

Baba Jaga stellt nun ihre Frage an Wassilissa

„Wieso bringst du all die Arbeit fertig, die ich dir auftrage?“ Wassilissa ist anders als die üblichen Ankommenden. Sie gehört zu den Sterbenden, handelt aber nicht, wie dies üblich ist. Die Hexe ist irritiert. Sie will wissen, mit welchen Mitteln Wassilissa sie an ihrer Funktion hindert, sie aus dem Leben zu nehmen. Es ist vergleichsweise so, als ob jemand die Sonne am Aufgehen hindern würde.

Die Antwort von Wassilissa: „Mir hilft meiner Mutter Segen“ sagt der Hexe, daß die Zeit zum Sterben für das Mädchen noch nicht gekommen ist. Sie ist keine Sterbende, sondern wurde durch widrige Umstände in diesen Weg gezwungen. Wassilissa hat die Bindung zum Leben nicht verloren - sie bejaht das Leben, sie will leben, sie ist voll Leben, sie ist lebendig. Wassilissa hat Leben mit ins Hexenreich gebracht. Sie ist fehl am Platze – sie stört den geregelten Ablauf – sie stört den Rhythmus.

Die Hexe ist wütend über den Betrug

Baba Jaga handelt ihrer Funktion entsprechend, stößt das Mädchen aus ihrem Reich und gibt ihr einen leuchtenden Totenschädel mit auf den Weg zurück ins Leben. Wassilissa bekommt das gewünschte Licht für die Stiefmutter mit. Wassilissa nimmt eine Kraft/ Feuer und Erkenntnis/ Licht aus der Begegnung mit Baba Jaga.
Die Hexe ist wütend über die Deplazierung des Mädchens. Sie ist wütend auf die anmaßende Stiefmutter, die die Hexe benutzt hat, um ihre Ziele zu verfolgen. Die Stiefmutter wollte töten und zu diesem Zweck Baba Jaga benutzen.

Baba Jaga antwortet auf diese Untat

Der glühende Totenkopf treibt die Stiefmutter und ihre Töchter in den Schlund der Hexe. Baba Jaga erklärt in diesem Bild ihre alleinige Zuständigkeit für Leben und Tod. Das Hineintreiben eines anderen in den Tod, das böse Trachten nach der Lebendigkeit hat den eigenen Tod zur Folge. Der Rhythmus von Leben und Tod ist nicht veränderlich - Baba Jaga ist dafür zuständig, den jeweiligen Zustand möglich zu machen.

Der 2. Teil des Märchens
Dieser Teil beschreibt die Entwicklungsschritte hin zur persönlichen Verwirklichung
1.Schritt
Wassilissa sucht sich einen neuen Platz im Leben - Sie wendet sich dem Leben neu zu

Wassilissa verläßt das stiefmütterliche Haus. Sie sucht einen anderen Ort mit günstigen Lebensbedingungen. Sie wählt eine Stadt aus und bittet die alte Frau, in ihrem Haus wohnen zu dürfen. Sie braucht Orientierung, Geborgenheit und Schutz.
Die weise Frau bemuttert Wassilissa nicht, sondern sie stellt lediglich ihre Unterkunft zur Verfügung. Sie bedrängt das Mädchen nicht. Es ist Zeit zum Ruhen und Nachdenken.
Eine große Veränderung in Wassilissas Leben ist passiert. Veränderung ist Ausdruck von persönlicher Lebendigkeit. Lebensfeindliche Bedingungen wurden durch positive Möglichkeiten abgelöst. Hier beweist Wassilissa zum erstenmal eine Aktivität, eine Lebendigkeit ohne die Mithilfe des Püppchens.

2. Schritt
Wassilissa will spinnen – sie will sich betätigen – sie will sich zeigen, sich beweisen.

Wassilissa will Langeweile vermeiden – sie will ihre Zeit nutzen. Langeweile ist ein Zeichen für Verlieren von Lebendigkeit und eine Aufforderung, etwas zu unternehmen.
Wassilissa will spinnen - eine weibliche Tätigkeit. Sie will ihre Eigenschaften - ihre Fähigkeiten einsetzen. Sie spinnt ein wunderbares Garn; Wassilissa ist eine Person mit besonderen Fähigkeiten.
Wassilissa will weben, ihre Fähigkeiten zu einem nutzbaren Ergebnis zusammenfügen. Es geht hier um Begabung oder Berufung. Besondere Fähigkeiten dienen einem besonderen Zweck.

Der geeignete Webstuhl für das Garn - das passende Werkzeug fehlt.

Für das wunderbare Garn findet sich kein passender Webstuhl. Ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten können nicht in einem „üblichen Rahmen“ zur Wirkung kommen. Der Webstuhl, der Rahmen, auf dem sie ihre Eigenschaften und Fähigkeiten zusammenfügen kann, ist auch nicht von der weisen Frau erhältlich. Wassilissa kann etwas ganz besonderes. Sie hat eine Gabe, eine Begabung, die aus dem üblichen Rahmen herausfällt.

3. Schritt
In dieser Situation wendet sich das Mädchen wieder an ihr Püppchen.

Wassilissa ist diesmal nicht in einem Unglück gefangen, sondern will etwas Besonderes aus sich selbst schaffen. Die Motivation findet sie nicht außen, sondern innen. Das Püppchen, die persönliche Lebendigkeit schafft die Basis für dieses Vorhaben. Das Püppchen macht den passenden Webstuhl. Das Püppchen wird zur Quelle für ihr schöpferisches Tun. Das Püppchen bietet die Ausdrucksmöglichkeit/ Webstuhl an. Lebendigkeit macht ein schöpferisches Werk/Wirken möglich und im Werk/ Wirken wird Lebendigkeit sichtbar. Lebendigkeit bringt Begabung zum Ausdruck und im Ergebnis ist Lebendigkeit sichtbar. Wassilissa als Person ist in diesem Prozeß ein Medium.
Wasilissa webt ein wundervolles Linnen.

Beginn des Spiegelprozesses – die Verwirklichung
Die Verbindung des Geschaffenen mit der Persönlichkeit

Wassilissa schenkt das Linnen der alten Frau und diese betrachtet und ordnet es zu. Sie bewertet das Werk/ Wirken.

„ Niemand anders als der Zar kann solches Linnen tragen.“

Das Werk ist einem Zaren würdig - es ist demnach eine sehr wertvolle Arbeit. Nicht Wassilissa selbst, sondern die alte Frau bringt die Ware zum Zarenhof. Es handelt sich um ein Werk oder Wirken, das unabhängig von der Person beeindruckt und höchste Anerkennung erhält. Das Ergebnis beeindruckt den Zaren. Wassilissa löst sich von ihrem Werk. Sie hat keine direkte Beziehung zu ihrer Begabung und dem Ergebnis. Person und Werk sind noch nicht eins. Im Spiegelungsprozeß betrachtet, ist sie dem Zaren als Weberin unbekannt.
Als niemand dem Zaren Hemden aus dem Linnen nähen kann, holt er die Alte wieder an seinen Hof und gibt ihr den Auftrag.

Die Spiegelung von Wassilissa mit dem Zaren - die Verbindung von Werk und Person

Die alte Frau benennt die wirkliche Weberin.
Wassilissa wird als schaffende Person zum erstenmal gegengeschlechtlich benannt. Der Zar fordert sie auf, seine Hemden zu nähen.
Der Spiegelaufforderung verdeutlicht, daß Wassilissa ihr Werk an sich nehmen soll. Sie soll sinnbildlich betrachtet, ihren Körper damit bekleiden. Der Zar spiegelt zuerst die Wertigkeit des Werks und im nächsten Schritt die Zusammengehörigkeit von Werk und Person.
Als die alte Frau mit diesem Auftrag heimkommt, ist Wassilissa nicht überrascht. Sie weiß von diesem nächsten Schritt. „ Ich wußte, daß mir die Arbeit zufallen würde.“ In der lebendigen Schaffensphase/ Kreativität ist der Mensch nicht austauschbar - jeder macht sein Werk/Wirken auf seine Art und Weise. Jede schöpferische Arbeit bedeutet Einmaligkeit. Kreative Werke/ Wirken tragen immer den Namen des Schaffenden.
Wassilissa näht die Hemden - sie steht zu ihrem Werk und gibt ihm ihren Namen.

Spiegelabschluß

Die alte Frau bringt die Hemden zum Zaren und Wassilissa bereitet sich auf eine Begegnung mit ihm vor.
Der Zar verliebt sich in Wassilissas Schönheit und spiegelt dadurch beides: ihre persönliche Schönheit und die Wertigkeit ihres Werks oder Wirkens. Werk und Persönlichkeit werden in diesem Spiegelschritt verbunden.

Im schöpferischen Prozeß wird sich die Person erst im Nachhinein mit dem Werk verbinden. Das was geschaffen wurde, wird erst im Nachhinein dem Schaffenden zugeordnet. Lebendigkeit und Persönlichkeit harmonieren in besonderer Art und Weise – die Person tritt zurück und ordnet sich Lebendigkeit unter. Danach tritt die Person wieder in den Vordergrund und das Werk kann zugeordnet werden.
Die Person kann sich nie mit der schöpferischen Quelle verbinden, sondern nur Zugang zu dieser haben und über das Werk ausdrücken. Der Ursprung bleibt ein Geheimnis.

Alles Lebendige ist im Rhythmus eingebettet.

Wassilissa, die Wunderschöne ist dem Wunder der Lebendigkeit, der Schöpfung ein Stückchen nahegekommen und kann dies in ihrem Leben auch ausdrücken. Das Märchen ist eine Liebeserklärung an die Schöpfung.
Kreativ sein ist die Möglichkeit, ein Stückchen davon zu spüren, zu sein, auszudrücken und weiterzugeben.