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Interpretation des Märchens
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Von Anfang an wird die Entwicklung der Müllerstochter von männlichen Personen bestimmt und erzwungen. Das Mädchen wird mit männlichen Erwartungen belegt, die sie einlösen muß. Ein individuell weiblicher Entwicklungsweg ist nicht möglich. Die früh geprägte Fremdbestimmtheit bewirkt die Bedürfnis- und Willenlosigkeit des Mädchens und ermöglicht Rumpelstilzchen, sich zunehmend in ihrem Leben auszubreiten. Am Ende beansprucht der Kobold ihr Kind. „Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind. Ach wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß.“ Die Müllerstochter befreit sich aus dieser Hörigkeit und erwirbt sich eine eigene Lebensbasis. Sie rettet ihr Kind. Rumpelstilzchen ist ein tiefgreifendes und erschütterndes Märchen aus der Frauengeschichte und hat heute noch Gültigkeit für viele weibliche Lebensentwürfe. |
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Rollenbeschreibung
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Die Müllerstochter | |
ist das Kind, aber auch die Ware des Müllers. Er belegt sie mit seinen Erwartungen und bietet sie dem König an. Sie ist dieser Zuschreibung ausgeliefert. Sie wird vom Vater an den König weitergegeben, der die versprochenen Fähigkeiten einfordert. |
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Der Müller | |
Die väterliche Beziehung zur Tochter steht für den allgemein üblichen Umgang mit Frauen. Die männliche Dominanz und die weibliche Fügsamkeit entsprechen dem Zeitgeist und sind für Frauen und Männer verbindlich. Die Müllerstochter wird so erzogen und wird dem König angeboten. |
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Der König | |
Der König probiert aus, ob die Frau funktioniert und die Erwartungen erfüllt. |
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Rumpelstilzchen - der Kobold | |
Ein „gar lächerliches Männchen“ erfüllt die Forderungen und rettet das „soziale“ Leben der Müllerstochter. Rumpelstilzchen entspringt aus dem Handel von Müller und König und ist eine Situationsfigur, die den weiteren Prozeß aus diesem Handel aufzeigt.. |
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Das Kind der Königin | |
Das Kind im Märchen bedeutet einen neuen Lebensabschnitt aufbauend auf der Vergangenheit. Das Kind symbolisiert das Leben nach der Hochzeit, nach der Spiegelung.. Die Königin hat kein Recht auf persönliche Entfaltung. Das gerettete Kind wird zum abschließenden Spiegel der Königin. Am Ende des Märchens steht das Kind für ihre Selbstfindung, Selbstbehauptung und Selbstentfaltung. Von diesem Interpretationskonzept ausgehend, bekommt die gegengeschlechtlichen Spiegelung eine erweiterte Bedeutung. In diesem Märchen findet in der Anfangssituation ein gewaltsamer gegengeschlechtlicher Spiegelungsversuch statt. Die Müllerstochter muß so werden wie der König es vorschreibt. Es handelt sich nicht um Entwicklung, sondern um Manipulation und Erpressung. Rumpelstilzchen entsteht aus dem Handel und schiebt sich als Prozeßfigur zwischen Müllerstochter und König. Der Kobold zeigt die Manipulation der Frau von außen - er ist der aktive Spiegel des Königs. Zugleich zeigt er die Reaktion der Frau auf die Manipulation - er ist der passive Spiegel der Königin. |
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Interpretation des Märchengeschehens
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Die Anfangssituation: | |
Der verarmte Müller will sich bei Gelegenheit ein Ansehen geben und benutzt seine Tochter. Das Märchen beschreibt die Rechtlosigkeit aller Frau und die Auslieferung jeder einzelnen Frau an den Mann. |
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Rumpelstilzchen, ein Kobold aus dem Hexen- und Zaubererreich | |
kommt der Müllerstochter in ihrer Ausweglosigkeit zu Hilfe. Rumpelstilzchen ist vorerst die rettende Hilfe, dann die große Gefahr des Persönlichkeitsverlustes und als diese auch die Aufforderung zur Selbstfindung, Selbstbehauptung und Selbstentfaltung. Rumpelstilzchen fordert anfangs für seine Leistung einen geringen Preis und die Müllerstochter geht auf den Handel ein. Es ist hilfreich. Ohne seine Einmischung müßte die Müllerstochter in den Beziehungstod verschlüsselt durch „ Wenn Du nicht....,dann mußt du sterben.“ Es geht in diesem Märchen um „ Alles oder Nichts“ um „ Anerkennung und Ablehnung“ um „Anpassung oder Abseits“ um „ Selbstaufgabe oder Selbstbehauptung“...um „ Sein oder Nichtsein“...........eines weiblichen Wesens. In der Methapher „Stroh zu Gold spinnen“ ist diese unüberwindbare Gegensätzlichkeit, Kompromißlosigkeit und Aussichtslosigkeit beschrieben. Stroh ist bereits ausgedroschen - es ist ein wertloses Material, ein Abfallprodukt. Gold ist das wertvollste Material. Die Kunst, aus Stroh Gold zu spinnen, ist selbst im Märchen nicht möglich. |
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Das Unmögliche ist doch möglich. | |
Rumpelstilzchen erfüllt die Forderungen, wenn die Müllerstochter bereit ist, einen äußerlichen Preis dafür zu bezahlen. Die Müllerstochter muß auf den Handel mit dem Rumpelstilzchen eingehen und gibt ihm Ring und Halsband, Schmuckstücke, die das weibliche Wesen betonen. Sie investiert ihre äußerliche oder körperliche Weiblichkeit und erfüllt damit die äußerlichen Erwartungen. Die Müllerstochter kann dem Kobold für seine steigende Leistung keine äußeren Werte mehr anbieten. Diese Möglichkeit ist ausgeschöpft, sie hat nichts mehr einzutauschen. Rumpelstilzchen beansprucht das „ Kind der Königin“, etwas Lebendiges, nicht nur Äußerlichkeit, nicht nur Schein, sondern Sein. Es greift nach der inneren Beteiligung der Müllerstochter. Sie verspricht Rumpelstilzchen ihr Kind. Sie bindet sich mit diesem Versprechen an den Kobold, dessen Hilfe sie zu diesem Zeitpunkt nicht ablehnen kann. Dieses Versprechen in die Zukunft hinein hat Rumpelstilzchen, der aktive Spiegel des Königs angestrebt. Sie verspricht sich damit auch den Zuschreibungen des Königs. Sie wird zu der Frau, die der König will und die der Vater versprochen hat. Die Vergangenheit hat der Vater bestimmt, die Gegenwart liegt in dem Machtbereich des Königs und die Zukunft hat Rumpelstilzchen beschlagnahmt. Sie ist in Männerhand, äußerlich und innerlich, räumlich und zeitlich. |
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Die Hochzeit des Königs mit dem Rumpelstilzchen | |
Der König weiß nichts von der Existenz des Rumpelstilzchens, das die geforderten Leistungen bisher erbrachte. Rumpelstilzchen wird durch seine Leistung zum direkten Spiegelpartner des Königs. Der König vermählt sich mit dem aktiven Rumpelstilzchen, an das auch die Müllerstochter passiv gebunden ist. Hier wird die aktive und passive Spiegel-Seite des Koblods deutlich. |
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Das Kind aus dieser Verbindung | |
Ein neuer Abschnitt beginnt. Rumpelstilzchen hat dieses Kind der Königin möglich gemacht und erhebt Anspruch. Die Müllerstochter hat jede zu erwartende Möglichkeit auf eigene Lebendigkeit und Entwicklung Rumpelstilzchen versprochen. Veränderung ist nicht möglich. Sie muß so bleiben, wie sie in der Vergangenheit gemacht worden ist und wie sie sich selbst hinein in die Zukunft versprochen hat. Der König zeigt keinerlei Interesse an diesem Kind. Er interessiert sich weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft für das Leben der Müllerstochter. Sie hat seine Vorstellungen zu erfüllen, sonst nichts. Die Beziehung vor und nach der Hochzeit zwischen König und Königin bleibt im Märchen leer und unbeschrieben. Die Müllerstochter war mit Rumpelstilzchen allein in der Kammer und die Königin ist jetzt mit ihrem Kind allein im Schloß. Es hat sich nichts wesentliches verändert. Von außen betrachtet scheint alles in Ordnung zu sein. Die Erpressung ist vorbei. Die Müllerstochter ist legitimiert worden. Der König kann die Königin nicht mehr wie eine Müllerstochter behandeln. Sie hat jetzt seinen Status und damit den nötigen Schutz vor seiner unmittelbaren Willkür. Für sie ist die „ Königin- Sicherheit“ das Glück schlechthin gemessen an der früheren Bedrohung. Sie ist zufrieden mit ihrem jetzigen Leben und hat Rumpelstilzchen vergessen. Die äußeren Bedingungen haben sich ein wenig zu ihren Gunsten verändert. Die Königin beginnt in dieser Status- Sicherheit zu leben, zu spüren, zu denken....zu handeln.........!!! Das ist nicht erlaubt. Dieser Versuch ruft Rumpelstilzchen auf den Plan. Das eine erzeugt automatisch das andere. Der Kobold nimmt das Kind, nimmt ihr immer wieder diese „erwachende Lebendigkeit“. Rumpelstilzchen ist Plötzlich taucht Rumpelstilzchen auf und fordert den versprochenen Lohn. „ Etwas Lebendiges ist mir lieber als alle Schätze dieser Welt.“ Diese Stagnation „Verzauberung durch den hexenhaften Prozeß“ kostet nicht nur Kraft, sondern führt durch ständige Mißerfolge in die persönliche Verunsicherung. Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl, wichtige Stärken gehen zugrunde und stabilisieren und fördern die Hörigkeit. Das schwindende Selbstvertrauen führt zur Hilflosigkeit und erzeugt das Anlehnungsbedürfnis. Die starke und helfende Person wird überbewertet und doppelt wichtig. |
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Das Kind der Königin steht nun zwischen zwei Ansprüchen. | |
Wird es von Rumpelstilzchen genommen oder kann es die Königin behalten? „Wenn Du meinen Namen findest, so sollst du dein Kind behalten.“ Nun hat die Königin eine neue Verhandlungsbasis, eine neue Abmachung, das das alte Versprechen aufhebt. Sie hat einen möglichen Ausweg, eine Wende, eine Umkehrung gefunden. In jedem Prozeß steckt trotz jeder Zauberei und Hexerei eine winzige positive Entwicklung, die nicht einplanbar und fremdbestimmbar ist. Hier hat die Zaubermacht und die Hexenmacht, hier hat Rumpelstilzchen seine Grenzen.Trotz der Hörigkeit entwickelt sich in einem neuen Lebensabschnitt eine dazugehörige Fähigkeit unabhängig von der Vergangenheit. In jedem Abschnitt steckt eine neue Möglichkeit, die für die notwendige Veränderung genutzt werden kann. Das Kind zwischen Königin und Rumpelstilzchen Sie muß den Kobold suchen und seinen Plan kennenlernen, um ihn benennen zu können. Sie muß die Prozeßfigur in seiner Ursache, seiner Wirkung und seinem Ziel begreifen Die Königin beobachtet männliches Verhalten. Sie schickt Boten, männliche Erkunder auf die Suche. Die Königin geht männlichen Gedankengängen nach - wie denkt und was beabsichtigt der König. |
Der Bote der Königin entdeckt das Versteck des Kobolds | |
Sie kommt durch Nachforschungen dem Kobold auf die Spur. Sie entdeckt die Idee, den Plan, das Ziel der Männer. Sie entdeckt den Handel des Müllers und des Königs mit ihrer Person. Hier liegt der Ursprung des Kobolds.. Der Kobold bereitet in einem verborgenem Winkel sein Fest vor. Er freut sich auf die Übergabe des Kindes. Er ist sich sicher, das Kind zu bekommen und bereitet das Mahl vor. Er genießt und sie leidet. Er nimmt und sie gibt. Rumpelstilzchen ist ein Schmarotzer - ein Blutsauger. „ Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind. Ach, wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß.“ Das Wissen über das Wesen des Rumpelstilzchens ist zwar Voraussetzung für die Benennung, aber die tatsächliche Konfrontation mit dem fordernden Kobold steht noch an. |
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Der Kobold kommt zum 3. Mal, um das Kind zu holen. | |
Interessant ist, daß die Königin den Kobold bei dieser Gelegenheit ungewöhnlich ironisch behandelt. Sie läßt ihn zappeln, erhöht die Spannung und benennt ihn erst ganz zum Schluß. |
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Abschluß des Märchens - Spiegelung über das gerettete Kind | |
Das gerettete Kind der Königin ist abschließend ihr eigener Spiegel. Sie hat sich selbst gerettet. Der gegengeschlechtliche Spiegelungsprozeß wird aufgelöst und das Entwicklungsziel durch Selbstspiegelung beschrieben. Die Königin findet zu sich selbst. Das Märchen endet nicht mit der Beschreibung eines glücklichen Paares, sondern mit der Rettung des Kindes und der Auflösung von Rumpelstilzchen. der äußerlichen Männerbestimmtheit und |