Rumpelstilzchen
Interpretation des Märchens

Von Anfang an wird die Entwicklung der Müllerstochter von männlichen Personen bestimmt und erzwungen. Das Mädchen wird mit männlichen Erwartungen belegt, die sie einlösen muß. Ein individuell weiblicher Entwicklungsweg ist nicht möglich. Die früh geprägte Fremdbestimmtheit bewirkt die Bedürfnis- und Willenlosigkeit des Mädchens und ermöglicht Rumpelstilzchen, sich zunehmend in ihrem Leben auszubreiten. Am Ende beansprucht der Kobold ihr Kind.

„Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind. Ach wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß.“

Die Müllerstochter befreit sich aus dieser Hörigkeit und erwirbt sich eine eigene Lebensbasis. Sie rettet ihr Kind.

Rumpelstilzchen ist ein tiefgreifendes und erschütterndes Märchen aus der Frauengeschichte und hat heute noch Gültigkeit für viele weibliche Lebensentwürfe.
Die Grundrechte der Frau auf Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung sind inhaltliche Schwerpunkte des Märchens.

Rollenbeschreibung
Die Müllerstochter

ist das Kind, aber auch die Ware des Müllers. Er belegt sie mit seinen Erwartungen und bietet sie dem König an. Sie ist dieser Zuschreibung ausgeliefert. Sie wird vom Vater an den König weitergegeben, der die versprochenen Fähigkeiten einfordert.

Der Müller

Die väterliche Beziehung zur Tochter steht für den allgemein üblichen Umgang mit Frauen. Die männliche Dominanz und die weibliche Fügsamkeit entsprechen dem Zeitgeist und sind für Frauen und Männer verbindlich. Die Müllerstochter wird so erzogen und wird dem König angeboten.

Der König

Der König probiert aus, ob die Frau funktioniert und die Erwartungen erfüllt.
Der Spiegelpartner überragt die Müllerstochter um ein vielfaches. Der Königstatus beschreibt den Stellenwert des Mannes. Er ist bereits vor der Hochzeit die gültige Persönlichkeit. Er setzt die Maßstäbe, er fordert, kontrolliert und belohnt. Die Frau muß nach seinen Vorstellungen werden und wird dann von ihm zur Königin erhöht.

Rumpelstilzchen - der Kobold

Ein „gar lächerliches Männchen“ erfüllt die Forderungen und rettet das „soziale“ Leben der Müllerstochter. Rumpelstilzchen entspringt aus dem Handel von Müller und König und ist eine Situationsfigur, die den weiteren Prozeß aus diesem Handel aufzeigt..
Der Kobold hat eine Doppelfunktion: er ist Hilfe und Gefahr und diese Kombination ist verhängnisvoll und schwer zu durchschauen.
Kobolde sind den Hexen und den Zauberern zugeordnet. Sie wechseln von einem ins andere Reich. Kobolde sind unberechenbar und nicht kontrollierbar. Sie verwirren durch ihr uneinschätzbares Handeln. Sie tauchen auf und verschwinden, sie sind gut und bös, sie sind Hilfe und Gefahr. Ihr Ursprung und ihr Ziel sind schwer zu begreifen. Sie transportieren einen verzauberten Inhalt auf hexenhafte Art und Weise in die lebendige Märchenfigur.
Rumpelstilzchen ist eine äußerst bösartige Prozeßfigur. Da Methode und Inhalt unentdeckbar miteinander verknüpft sind, ensteht der berühmtberüchtigte Teufelskreislauf, aus dem es nur schwer ein Entkommen gibt.
„ Das hat Dir der Teufel gesagt“, ist der letzte Ausdruck des Kobolds.
Sein Plan ist durchschaut worden.

Das Kind der Königin

Das Kind im Märchen bedeutet einen neuen Lebensabschnitt aufbauend auf der Vergangenheit. Das Kind symbolisiert das Leben nach der Hochzeit, nach der Spiegelung..
Rumpelstilzchen hat berechtigten Anspruch auf das Kind, denn es hat die Entwicklung der Müllerstochter zur Königin ermöglicht. Rumpelstilzchen ist der Erzeuger des Kindes und stellt den Anspruch der Vergangenheit. Die Königin will ihr Kind behalten.
Sie will ihr Leben in der Zukunft anders gestalten als in der Vergangenheit. Dabei holt sie Rumpelstilzchen, dem sie sich versprochen hat ständig ein. Sie muß so bleiben wie in der Vergangeheit.

Die Königin hat kein Recht auf persönliche Entfaltung.

Das gerettete Kind wird zum abschließenden Spiegel der Königin.

Am Ende des Märchens steht das Kind für ihre Selbstfindung, Selbstbehauptung und Selbstentfaltung.

Von diesem Interpretationskonzept ausgehend, bekommt die gegengeschlechtlichen Spiegelung eine erweiterte Bedeutung. In diesem Märchen findet in der Anfangssituation ein gewaltsamer gegengeschlechtlicher Spiegelungsversuch statt. Die Müllerstochter muß so werden wie der König es vorschreibt. Es handelt sich nicht um Entwicklung, sondern um Manipulation und Erpressung. Rumpelstilzchen entsteht aus dem Handel und schiebt sich als Prozeßfigur zwischen Müllerstochter und König. Der Kobold zeigt die Manipulation der Frau von außen - er ist der aktive Spiegel des Königs. Zugleich zeigt er die Reaktion der Frau auf die Manipulation - er ist der passive Spiegel der Königin.
Sie bemerkt ihre Willenlosigkeit und Hörigkeit, trennt sich von Rumpelstilzchen und nimmt ihr Leben selbst in die Hand.
Sie spiegelt sich abschließend in ihrem Kind, das sie gerettet hat.

Interpretation des Märchengeschehens
Die Anfangssituation:

Der verarmte Müller will sich bei Gelegenheit ein Ansehen geben und benutzt seine Tochter.
Die Vorgaben, seine Tochter könne Stroh zu Gold spinnen, entsprechen nicht den Tatsachen aber reizen den König, sich auf einen Handel einzulassen. Der interessierte König nimmt das verlockende Angebot unter einer Bedingung an. Er will die Fähigkeiten der Tochter testen und droht bei Nichterfüllung mit ihrem Tod. Beide Männer denken und handeln ihrem Vorteil entsprechend. Das Märchen beschreibt den legitimen Frauenhandel. Das Risiko in diesem Geschäft trägt das Mädchen allein. Ihr Leben ist in Gefahr, wenn sie die Erwartungen nicht erfüllt.
In dieser Einführung wird deutlich, daß ein eigener Entwicklungsweg des Mädchens nicht möglich ist. Die Drohung „sonst mußt du sterben“ unterstreicht die Ernsthaftigkeit und Ausweglosigkeit dieser Situation. Würde sie sich widersetzen, wäre ihr „Leben“ bedroht. Sie würde ausgeschlossen, verachtet, und entwertet. Frauen, die sich nicht der kulturellen Rollenzuschreibung unterordnen, wurden früher sehr hart und werden heute noch dafür bestraft.
Die Müllerstochter muß das tun, was der Vater vorgab und der König einfordert.
Der Vater als Vertreter seiner Generation gestaltet und übergibt der neuen Generation die gewünschte Frau. Niemand erhebt Einwände. Die reale Mutterfigur oder die weibliche Unterstützung und Orientierung gibt es nicht. Frauen haben in diesem Märchen keine eigene Identität. Sie spielen in diesem Märchen keine Rolle.

Das Märchen beschreibt die Rechtlosigkeit aller Frau und die Auslieferung jeder einzelnen Frau an den Mann.

Rumpelstilzchen, ein Kobold aus dem Hexen- und Zaubererreich

kommt der Müllerstochter in ihrer Ausweglosigkeit zu Hilfe.
Er kann Stroh zu Gold spinnen - er macht Unmögliches möglich.
Wenn in der Märchensprache ein Prozeß „ hexen- oder zauberartig“ besetzt beschrieben wird, dann handelt es sich immer um eine Störung höchsten Ausmaßes. Rumpelstilzchen entsteht aus dem Handel der Männer.
Die Hexe ist die Steigerung der Märchenstiefmutter, des schiefen - hinderlichen Verlaufs hin zum lebensfeindlichen Verlauf.
Der Zauberer bannt Menschen und deren Werte in die Unveränderlichkeit.
In diesem Märchen transportiert Rumpelstilzchen auf heimtückische Art und Weise = hexenhaft den starren festgelegten Inhalt = Verzaubertes in eine lebendige Person. Rumpelstilzchen ist gleichzeitig Inhalt und Methode. Es ist eine Figur mit doppelter Aufgabenbesetzung, lebensfeindlich im Vorgehen verbunden mit unveränderlichen erstarrten Inhalten. .

Rumpelstilzchen ist vorerst die rettende Hilfe, dann die große Gefahr des Persönlichkeitsverlustes und als diese auch die Aufforderung zur Selbstfindung, Selbstbehauptung und Selbstentfaltung.

Rumpelstilzchen fordert anfangs für seine Leistung einen geringen Preis und die Müllerstochter geht auf den Handel ein. Es ist hilfreich. Ohne seine Einmischung müßte die Müllerstochter in den Beziehungstod verschlüsselt durch „ Wenn Du nicht....,dann mußt du sterben.“ Es geht in diesem Märchen um „ Alles oder Nichts“ um „ Anerkennung und Ablehnung“ um „Anpassung oder Abseits“ um „ Selbstaufgabe oder Selbstbehauptung“...um „ Sein oder Nichtsein“...........eines weiblichen Wesens.

In der Methapher „Stroh zu Gold spinnen“ ist diese unüberwindbare Gegensätzlichkeit, Kompromißlosigkeit und Aussichtslosigkeit beschrieben.

Stroh ist bereits ausgedroschen - es ist ein wertloses Material, ein Abfallprodukt. Gold ist das wertvollste Material. Die Kunst, aus Stroh Gold zu spinnen, ist selbst im Märchen nicht möglich.
Die Müllerstochter kann die Forderungen des Königs nicht erfüllen. Sie weiß nicht einmal wie das gehen soll. Sie kann sich nicht vorstellen, männliche Zuschreibungen zu übernehmen und zu erfüllen. Sie kann sich nicht damit arrangieren, von Männern zur Frau gemacht zu werden. Dieses Vorhaben widerspricht dem Lebensprinzip der Selbsterhaltung und -entwicklung, es ist wider die menschliche Natur. Aus diesem Grund muß sie unter Druck gesetzt werden, um dieses Ziel zu erreichen. Die Müllerstochter wird mit dem Material und der Aufgabe in eine Kammer gesperrt, sie wird unter Druck gesetzt. Die äußeren Bedingungen werden vom König zur Verfügung gestellt. Er will diese Art von Frau haben und die Müllerstochter wird zu dieser Frau werden. Der König kontrolliert die Leistung und erhöht die Anforderung. Die Müllerstochter ist allein in der Kammer und niemand unterstützt sie. Der Druck wird durch die Isolierung vergrößert.
In dieser „Trainingssituation“ taucht Rumpelstilzchen auf, eine Lösung, ein Ausweg, eine Notlüge, ein Trick.........eine Überlebensstratie.....die Anpassung an widrigste Umstände...

Das Unmögliche ist doch möglich.

Rumpelstilzchen erfüllt die Forderungen, wenn die Müllerstochter bereit ist, einen äußerlichen Preis dafür zu bezahlen. Die Müllerstochter muß auf den Handel mit dem Rumpelstilzchen eingehen und gibt ihm Ring und Halsband, Schmuckstücke, die das weibliche Wesen betonen. Sie investiert ihre äußerliche oder körperliche Weiblichkeit und erfüllt damit die äußerlichen Erwartungen.
In einer anderen Fassung des Märchens wird diese Stelle ausführlicher erzählt. Drei alte Frauen führen vor, daß auf Rumpelstilzchens Art und Weise zu spinnen, häßlich macht. Ich gehe nicht näher auf diese Fassung ein.
Der König ist mit der Leistung zufrieden. Sein Vorgehen hat funktioniert und mit dieser Bestätigung erwachen größere Wünsche. Wenn die Müllerstochter diese erfüllt, wird sie von ihm zur Königin gemacht. Dann ist es für ihn angezeigt, die Müllerstochter in seinen König-Status hinaufzunehmen.
Der König denkt so: „ Auch wenns nur eine Müllerstochter, eine reichere Frau find ich nicht.“ Eine Frau, die noch besser nach seinen Wünschen lebt und seine Forderungen erfüllt, findet er nicht. Der König bewertet die Frau in Hinblick auf seine persönlichen Bedürfnisse und seine Gewinnaussichten.

Die Müllerstochter kann dem Kobold für seine steigende Leistung keine äußeren Werte mehr anbieten. Diese Möglichkeit ist ausgeschöpft, sie hat nichts mehr einzutauschen.

Rumpelstilzchen beansprucht das „ Kind der Königin“, etwas Lebendiges, nicht nur Äußerlichkeit, nicht nur Schein, sondern Sein. Es greift nach der inneren Beteiligung der Müllerstochter. Sie verspricht Rumpelstilzchen ihr Kind. Sie bindet sich mit diesem Versprechen an den Kobold, dessen Hilfe sie zu diesem Zeitpunkt nicht ablehnen kann. Dieses Versprechen in die Zukunft hinein hat Rumpelstilzchen, der aktive Spiegel des Königs angestrebt. Sie verspricht sich damit auch den Zuschreibungen des Königs. Sie wird zu der Frau, die der König will und die der Vater versprochen hat.

Die Vergangenheit hat der Vater bestimmt, die Gegenwart liegt in dem Machtbereich des Königs und die Zukunft hat Rumpelstilzchen beschlagnahmt. Sie ist in Männerhand, äußerlich und innerlich, räumlich und zeitlich.
Aus der Abhängigkeit wurde Hörigkeit.
Sie gehört sich nicht mehr selbst. Sie ist im Besitz des Rumpelstilzchens, sowohl von der aktiven als auch passiven Seite. Sie erfüllt, was von ihr gefordert wird. Sie wehrt sich nicht mehr - sie fügt sich.

Die Hochzeit des Königs mit dem Rumpelstilzchen

Der König weiß nichts von der Existenz des Rumpelstilzchens, das die geforderten Leistungen bisher erbrachte. Rumpelstilzchen wird durch seine Leistung zum direkten Spiegelpartner des Königs. Der König vermählt sich mit dem aktiven Rumpelstilzchen, an das auch die Müllerstochter passiv gebunden ist. Hier wird die aktive und passive Spiegel-Seite des Koblods deutlich.
Der Kobold wirkt als Beziehungs-Zwischenglied gleichzeitig von außen nach innen und von innen nach außen bindend. Rumpelstilzchen ist der Beziehungsmagnet. Es ermöglicht und hält die Verbindung von König und Müllerstochter aufrecht. Es verhindert ein Auseinanderbrechen der Beziehung. Es unterstützt den König aktiv und zwingt die Müllerstochter in die passive Haltung.
Rumpelstilzchen hat in diesem Spiegelungsprozeß die Führung übernommen. Es ist die Hauptfigur des Märchens.

Das Kind aus dieser Verbindung
Ein neuer Abschnitt beginnt.
Rumpelstilzchen hat dieses Kind der Königin möglich gemacht und erhebt Anspruch. Die Müllerstochter hat jede zu erwartende Möglichkeit auf eigene Lebendigkeit und Entwicklung Rumpelstilzchen versprochen. Veränderung ist nicht möglich. Sie muß so bleiben, wie sie in der Vergangenheit gemacht worden ist und wie sie sich selbst hinein in die Zukunft versprochen hat.
Der König zeigt keinerlei Interesse an diesem Kind. Er interessiert sich weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft für das Leben der Müllerstochter. Sie hat seine Vorstellungen zu erfüllen, sonst nichts. Die Beziehung vor und nach der Hochzeit zwischen König und Königin bleibt im Märchen leer und unbeschrieben. Die Müllerstochter war mit Rumpelstilzchen allein in der Kammer und die Königin ist jetzt mit ihrem Kind allein im Schloß. Es hat sich nichts wesentliches verändert.
Von außen betrachtet scheint alles in Ordnung zu sein. Die Erpressung ist vorbei. Die Müllerstochter ist legitimiert worden. Der König kann die Königin nicht mehr wie eine Müllerstochter behandeln. Sie hat jetzt seinen Status und damit den nötigen Schutz vor seiner unmittelbaren Willkür. Für sie ist die „ Königin- Sicherheit“ das Glück schlechthin gemessen an der früheren Bedrohung. Sie ist zufrieden mit ihrem jetzigen Leben und hat Rumpelstilzchen vergessen. Die äußeren Bedingungen haben sich ein wenig zu ihren Gunsten verändert. Die Königin beginnt in dieser Status- Sicherheit zu leben, zu spüren, zu denken....zu handeln.........!!! Das ist nicht erlaubt.
Dieser Versuch ruft Rumpelstilzchen auf den Plan.
Das eine erzeugt automatisch das andere. Der Kobold nimmt das Kind, nimmt ihr immer wieder diese „erwachende Lebendigkeit“.

Rumpelstilzchen ist
der Bumerang aus der Vergangenheit in die Zukunft

Plötzlich taucht Rumpelstilzchen auf und fordert den versprochenen Lohn.
Die Königin hat keinen Anspruch auf sich selbst. Rumpelstilzchen, der verinnerlichte Spiegel des Königs in der Königin sorgt dafür. Verbote, Hemmungen, Schuldgefühle, Ängste, Mutlosigkeit.......usw. passiv machende Gefühle.sind in Rumpelstilzchen versteckt. Der Zauberbann funktioniert. Die Frau bleibt durch sich selber so, wie es ihr zugeschrieben worden ist und zudem sie sich verpflichtet hat. Jeder Entwicklungsversuch ist zum Scheitern verurteilt. Sie hat kein Recht, eigene Bedürfnisse zu spüren und Ziele zu verfolgen. Sie gibt sich immer wieder selbst auf. Sie scheitert an sich selbst.

„ Etwas Lebendiges ist mir lieber als alle Schätze dieser Welt.“
Der Kobold drückt so seinen Auftrag aus.

Diese Stagnation „Verzauberung durch den hexenhaften Prozeß“ kostet nicht nur Kraft, sondern führt durch ständige Mißerfolge in die persönliche Verunsicherung. Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl, wichtige Stärken gehen zugrunde und stabilisieren und fördern die Hörigkeit. Das schwindende Selbstvertrauen führt zur Hilflosigkeit und erzeugt das Anlehnungsbedürfnis. Die starke und helfende Person wird überbewertet und doppelt wichtig.
Versagen, Hilfsbedürftigkeit und Abhängigkeit sind in Rumpelstilzchen einprogrammiert. Der Plan ist perfekt.
Bleib so, wie du bist, denn dann gehörst du mir.......heißt der Zauberauftrag, das Ziel des Kobolds.

Das Kind der Königin steht nun zwischen zwei Ansprüchen.

Wird es von Rumpelstilzchen genommen oder kann es die Königin behalten?
Die Königin erschrickt über den eindeutigen und berechtigten Anspruch und will das Kind unter allen Umständen behalten. Sie steht zu ihrem Kind sie spürt ein tiefes Bedürfnis, das Kind zu behalten. Sie spürt deutlich ihre Lebendigkeit.
Immer wenn Rumpelstilzchen auftaucht und nimmt, wird die Königin Versagen, Verlust und Leere und Hilflosigkeit erleben. Durch die Mutterrolle werden diese Gefühle verstärkt beschrieben. In diesem mütterlichen Bild verbirgt sich aber auch eine größere Verantwortungsbereitschaft und Schutzmöglichkeit für das werdende Leben. Die Königin will das Kind nicht mehr hergeben. Sie liebt es nicht nur, sondern fühlt sich auch verantwortlich für dieses junge Leben.
Ihre persönliche Veränderung ist in der Mutterrolle ausgedrückt. Man kann mit ihr nicht mehr umspringen wie mit einem kleinen Mädchen. Trotz aller List von außen ist die Königin nicht mehr die Müllerstochter. Als Königin, als erwachsene Frau hat sie andere Möglichkeiten.
Die Königin bemerkt in ihrer Mutterrolle, welches Leid ihr von dem Kobold angetan wird. Aus diesem Leidensdruck leistet sie Widerstand gegen Rumpelstilzchen. Sie verweigert sich Rumpelstilzchen - ein ungewöhnlicher mutiger Schritt, durch den sie die Situation grundlegend verändert. In der Verweigerung ist die erste Handlung.
Die Königin wird aktiv und zwingt Rumpelstilzchen zu einer Reaktion. Rumpelstilzchen verliert die Führung im Prozeß- es wird in eine Auseinandersetzung gedrängt. Der hexenhafte, gegenläufige Prozeß verändert sich. Sie handelt, setzt die erste Aktion und Rumpelstilzchen muß darauf eingehen und ein Angebot machen.

„Wenn Du meinen Namen findest, so sollst du dein Kind behalten.“

Nun hat die Königin eine neue Verhandlungsbasis, eine neue Abmachung, das das alte Versprechen aufhebt. Sie hat einen möglichen Ausweg, eine Wende, eine Umkehrung gefunden. In jedem Prozeß steckt trotz jeder Zauberei und Hexerei eine winzige positive Entwicklung, die nicht einplanbar und fremdbestimmbar ist. Hier hat die Zaubermacht und die Hexenmacht, hier hat Rumpelstilzchen seine Grenzen.Trotz der Hörigkeit entwickelt sich in einem neuen Lebensabschnitt eine dazugehörige Fähigkeit unabhängig von der Vergangenheit. In jedem Abschnitt steckt eine neue Möglichkeit, die für die notwendige Veränderung genutzt werden kann.

Das Kind zwischen Königin und Rumpelstilzchen
Wenn Du meinen Namen weißt, so sollst Du Dein Kind behalten.
Die Königin akzeptiert diese Aufforderung - sie stellt sich der Aufgabe

Sie muß den Kobold suchen und seinen Plan kennenlernen, um ihn benennen zu können. Sie muß die Prozeßfigur in seiner Ursache, seiner Wirkung und seinem Ziel begreifen
Die Aufgabe ist klar. Die Königin muß sich beeilen, sie muß die vorgegebene Zeit der 3 Tage nutzen. Sie denkt nach, forscht und erkundet.
Den ersten Tag besinnt sie sich auf sich selbst - sie bleibt in ihrem vertrauten persönlichen Erfahrungsbereich. Die Namen Kaspar, Melchior, Balzer sind die Namen der Hl. Drei Könige und deuten auf die übliche religiöse Erziehung hin. Die Namen deuten auf die Beteiligung der Kirche hinsichtlich der Geschlechterbeziehung hin.
Am 2. Tag erweitert sie ihre Nachforschungen. Sie läßt andere befragen. Sie bewegt sich aus ihrer Isolation und vergleicht. Sie will wissen, wie Männer außerhalb ihres Erfahrungsbereiches genannt werden. Sie findet die ungewöhnlichsten Namen, die gefährlich und bösartig klingen. Es gibt also die bösen männlichen Absichten.

Die Königin beobachtet männliches Verhalten. Sie schickt Boten, männliche Erkunder auf die Suche. Die Königin geht männlichen Gedankengängen nach - wie denkt und was beabsichtigt der König.
Die Königin benutzt dazu ihre geistigen Fähigkeiten. Sie geht nicht gefühlsmäßig an die Arbeit, denn ihre Gefühle sind von Rumpelstilzchen besetzt und würden sie in die Irre führen.

Der Bote der Königin entdeckt das Versteck des Kobolds

Sie kommt durch Nachforschungen dem Kobold auf die Spur. Sie entdeckt die Idee, den Plan, das Ziel der Männer. Sie entdeckt den Handel des Müllers und des Königs mit ihrer Person. Hier liegt der Ursprung des Kobolds..

Der Kobold bereitet in einem verborgenem Winkel sein Fest vor. Er freut sich auf die Übergabe des Kindes. Er ist sich sicher, das Kind zu bekommen und bereitet das Mahl vor.
Er ist gewohnt, der bisher hörigen, bedürfnislosen und willenlosen Königin das Kind zu nehmen. Rumpelstilzchen bereitet sein Festmahl vor - er arbeitet gezielt darauf hin - er zelebriert den Genuß - das Kind ist der Höhepunkt in seinem Dasein.....es erquickt den Kobold ........

Er genießt und sie leidet. Er nimmt und sie gibt.
Er zelebriert seinen Gewinn ( Gold) und sie trauert um ihren Verlust ( Stroh).

Rumpelstilzchen ist ein Schmarotzer - ein Blutsauger.
Seine hohen Ansprüche und Wünsche sind in der Feiervorbereitung beschrieben. Der Kobold nimmt von der Königin in großem Maß.
Ihre eigene früh geprägte Bedürfnis- und Willenlosigkeit sind die Sicherheiten des Kobolds. Ein einfacher und schlauer Plan, der verdeckt bleiben muß.
Ihre Bedürfnislosigkeit und Willenlosigkeit machen sie verfügbar, benutzbar und wehrlos. Sie kennt keine eigenen Bedürfnisse und hat keine Veranlassung, sich einzusetzen. So einfach funktioniert eine rechtzeitiges und konsequentes Training.
Einzige Vorsichtsmaßnahme ist die Geheimhaltung des Plans.

„ Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind. Ach, wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß.“

Das Wissen über das Wesen des Rumpelstilzchens ist zwar Voraussetzung für die Benennung, aber die tatsächliche Konfrontation mit dem fordernden Kobold steht noch an.
Er rechnet nicht mit einer Veränderung der Situation.

Der Kobold kommt zum 3. Mal, um das Kind zu holen.

Interessant ist, daß die Königin den Kobold bei dieser Gelegenheit ungewöhnlich ironisch behandelt. Sie läßt ihn zappeln, erhöht die Spannung und benennt ihn erst ganz zum Schluß.
Gefühle von Wut und Zorn überfallen Rumpelstilzchen, als die Königin den Kobold benennt.
Wut und Zorn sind Gefühle, die aus einer Ohnmächtigkeit entstehen und nicht zugeordnet werden können oder dürfen. Sie werden nun auf den König, den aktiven Spiegel in Rumpelstilzchen gerichtet und im König zum Ausdruck gebracht. Rumpelstilzchen, der verlängerte männliche Arm in der Frau ist nicht mehr mächtig. Der König wird von der Königin benannt werden müssen und seine Forderungen werden abgewiesen. Der Zorn des Königs wird groß sein.
Die passive Spiegelseite löst sich im Zuge dieser Aktion.
Die Prozeßfigur Rumpelstilzchen zerreißt sich in 2 Teile. Der Doppelspiegel zerbricht,.der teuflische Prozeß ist beendet.
Der König hat nicht mehr seine „ Wunschfrau“ - sie erfüllt nicht mehr die Zuschreibungen und Erwartungen.
Rumpelstilzchen spiegelt am Ende die Reaktion des Königs. Er ist wütend und zornig auf die Veränderung der Königin.

Abschluß des Märchens - Spiegelung über das gerettete Kind

Das gerettete Kind der Königin ist abschließend ihr eigener Spiegel. Sie hat sich selbst gerettet.

Der gegengeschlechtliche Spiegelungsprozeß wird aufgelöst und das Entwicklungsziel durch Selbstspiegelung beschrieben. Die Königin findet zu sich selbst.

Das Märchen endet nicht mit der Beschreibung eines glücklichen Paares, sondern mit der Rettung des Kindes und der Auflösung von Rumpelstilzchen.

der äußerlichen Männerbestimmtheit und
Die Königin hat sich aus
ihrer innerlichen Männerhörigkeit befreit.